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Geschichte

Etwas aus der Geschichte des Bogens

aus: Das Bogenbauer-Buch. Europäischer Bogenbau von der Steinzeit bis heute.

Die Erfindung des Bogens verliert sich im mythischen Nebel der Geschichte: Erfindungsort und -zeit können von der Archäologie nicht exakt bestimmt werden. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass sowohl Bögen als auch Pfeile aus organischen Materialien hergestellt wurden, die die Zeit nicht überdauert haben. Erst mit der Verwendung von Pfeilspitzen aus Knochen und Stein hinterließen unsere Vorfahren eindeutig zu datierende Belege für die Verwendung von Pfeil und Bogen. Derartige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass der Bogen bereits seit ca. 20.000 Jahren vom Menschen benutzt wird.

Steinbock- oder Wildziegenjagd im Mesolithikum, Cueva de los Caballos, Spanien (Abbildung aus: Stodiek 1996)

Stock und Stein waren die ersten Werkzeuge und Waffen des Menschen. Die Erfindung und Weiterentwicklung von Waffen war erforderlich, weil der Mensch als Jäger sowohl potentiellen Beutetieren als auch Raubtieren im Bezug auf die Sinnesleistungen wie auch im Bezug auf Kraft, Geschwindigkeit und „natürliche Bewaffnung“ (Zähne und Klauen) hoffnungslos unterlegen war. Dem Faustkeil als der wohl ältesten Waffe der Menschheit folgte der Spieß, der aber wegen des immer noch engen Kontaktes zur Jagdbeute das Verletzungsrisiko des Jägers nur unwesentlich reduzierte. Der Speer als erste Distanzwaffe und die Speerschleuder (Atlatl) ermöglichten eine zunehmend größere Distanz und Effektivität bei der Jagd und natürlich auch in kriegerischen Auseinandersetzungen. Der Bogen jedoch ermöglichte es, eine große Anzahl von Projektilen platzsparend mitzuführen und auf große Distanz zielgenauer als mit dem Atlatl zu platzieren. Damit konnte sich der steinzeitliche Jäger auch der sich ändernden Wildpopulation (Aussterben des Großwildes wie Mammut und Wollnashorn) anpassen und auf flüchtiges Wild wie Ren etc. mit guter Aussicht auf Erfolg Jagd machen. (Feustel 1985, Stodiek 1993, Stodiek 1996)

Die bislang weltweit ältesten eindeutigen Belege für das Vorhandensein der Bogenwaffe stellen die aus Kiefernspaltholz hergestellten Pfeile vom Fundplatz Stellmoor bei Hamburg dar. Diese mit Vorschaft, präzisem Verbindungsstecksystem und Feuersteinspitze ausgerüsteten Pfeile repräsentieren eine schon weit fortgeschrittene Technologie und datieren auf ca. 9.000 – 8.000 v.Chr. Der älteste Bogen, in den vierziger Jahren im Holmegaard-Moor auf Seeland, Dänemark, gefunden, datiert auf ca. 8.000 v.Chr. Auch hier zeugt das Design dieses Bogens von gehobenem ‚Know-how‘. (Stodiek 1996)

Einen Beleg dafür, dass die Jagdwaffe ‚Bogen‘ schon sehr früh auch als Kampfwaffe benutzt wurde, liefert eine mesolithische Felsmalerei (ca. 8000 v.Chr.) von ‚les Dogues‘ (Castellón, Frankreich): Zwei Gruppen von Bogenschützen stehen sich im Schlachtgetümmel gegenüber, wobei auch ein Halbreflexbogen (Kreisausschnitt) zu erkennen ist. (Beckhoff 1963)

Felsmalerei von ‚les Dogues‘ (Abbildung aus: Beckhoff 1963)

1991 wurde als archäologischer „Jahrhundertfund“ auf dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen die Gletschermumie eines ca. 5.300 Jahre alten Mannes („Ötzi“) mit kompletter Ausrüstung entdeckt. Wesentlicher Bestandteil dieser Ausrüstung war ein Langbogen sowie ein mit 14 Pfeilen gefüllter Köcher. (Egg 1992)

Pfeil und Bogen blieben für Jahrtausende die Hauptdistanzwaffe des Menschen, sie wurde in den verschiedenen Kulturen allerdings sehr unterschiedlich bewertet: Den Griechen der Antike galten sie als Waffe des Feiglings, der den unmittelbaren Nahkampf fürchtete. Auch bei den Germanen war der Bogen nur Jagdwaffe; im Krieg galt er laut Tacitus als knabenhaft und tückisch. Vielen orientalischen und asiatischen Kulturen hingegen galt der Bogen als königliche Waffe. Die Assyrer führten berittene Bogenschützen ein, und bei den Reitervölkern der Steppe – Skythen, Partern, Hunnen, Sarmaten – war der Kompositbogen die Hauptwaffe. Bei den alten Persern musste jeder Junge drei Dinge lernen: Reiten, Bogenschießen und die Wahrheit sagen! (Feldhaus 1914, Nickel 1974)

Die Hochzeit des europäischen Rittertums wurde durch die großen Schlachten des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich (Grecy 1346, Poitiers 1356, Agincourt 1415) am Ausgang des Mittelalters in Frage gestellt und schließlich beendet: Selbst gegen gepanzerte Ritter (Reiterei) war der massierte Einsatz des englischen Langbogens (Infanterie) verheerend. Die Armbrust war nicht nur in Grecy wegen der niedrigen Feuerfrequenz (1/Min.) dem englischen Langbogen (>12/Min.) hoffnungslos unterlegen. (Heath, Hardy)

Auch dem vom Pferde aus eingesetzten Reiterbogen der „Tartaren“ (von gr. „tartaros“ = Unterwelt) und der damit möglichen flexiblen Taktik der Mongolen Dschingis-Khan‘s hatte die schwer gepanzerte und damit unbewegliche Ritterschaft Europas nichts mehr entgegen zu setzen: Die Schlachten von Liegnitz, Gran, Sajo und Pest im Jahre 1241 waren regelrechte Massaker. Subotai, der General Dschingis Khans in diesem Europa-Feldzug und Sieger in 56 Schlachten, hat den Tod von über einer Million Menschen zu verantworten. (Heath 1971, Hurley 1975, Hardy 1992)

In der kriegerischen Auseinandersetzung wurde der Bogen erst durch das Auftreten der Armbrust resp. der Feuerwaffen am Ausgang des Mittelalters verdrängt, weil Armbrust- und Musketenschützen leichter auszubilden und somit billiger waren, sichere Beherrschung des Bogens aber jahrelanges Training voraussetzt. (Heath 1971)

In den Nordamerikanischen Indianerkriegen des 19. Jahrhunderts aber war der Bogen durchaus noch eine gefürchtete Waffe. Erst mit Einführung der Repetiergewehre konnten die bis dahin sowohl an Feuerfrequenz als auch an Präzision überlegenen Indianer besiegt werden. Aus dem gleichen Grund hatte aber noch Benjamin Franklin (1706-1790) während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges vorgeschlagen, die schwerfällige Muskete durch den altbewährten englischen Langbogen zu ersetzten. (Nickel 1974)

Im 20. und 21. Jahrhundert wurde und wird der Bogen noch in Südamerika, Afrika, der arabischen Halbinsel, Indien und in der Südsee (z.B. auf Papua-Neu Guinea) sowohl zur Jagd als auch in kriegerischen Auseinandersetzungen von der einheimischen Urbevölkerung benutzt. 1977 gab es z.B. auf der Basis von Landstreitigkeiten in der Provinz Enga auf Papua-Neu Guinea Stammeskriege, in deren Folge allein im Immanual Hospital, Wapenamanda, 67 Opfer mit Pfeilverletzungen eingeliefert wurden, wobei lediglich eine knöcherne, ansonsten aber ausschließlich hölzerne Pfeilspitzen gefunden wurden: Dies entspricht historisch der Kulturstufe des „Mittel-/Jungpaläolithikum“, ca. 150.000-40.000 v.Chr.! (Lennox 1979, Feustel 1985).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde durch u.a. Saxton Pope eine Renaisance des sportlichen und jagdlichen Bogenschießens ausgelöst. In Nordamerika gibt es heute ca. 2,5 Millionen Bogenschützen, von denen nicht wenige mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen. Auch in einigen Ländern Europas (z.B. Frankreich, Italien, Polen) ist die Bogenjagd erlaubt, nicht jedoch in Deutschland. (Pope 1923, Pope 1930, Pope 1985)

Zusammenfassend kann festgestellt werden:

  • Die Erfindung des Bogens als erster „Maschine“ markiert den revolutionären Schritt vom „homo erectus“ zum technischen Menschen, zum „homo technicus“.
  • Sie wird daher in der Encyclopaedia Britannica in einem Atemzug genannt mit der Erfindung des Feuers, des Rades und der Sprache (Encyclopaedia Britannica 1999, Downs 1994).
  • Pfeil und Bogen haben im Laufe der Geschichte einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung und damit zum Überleben der Menschheit geleistet, gleichzeitig aber auch mehr Menschen getötet als jede andere Waffe. (Hurley 1975)

 

Betrachten wir die neuzeitlichen Waffen, wie zum Beispiel automatische Kriegs-Feuerwaffen oder das Auto in einer vergleichbaren Zeitspanne, wird sich die Aussage relativieren. (Di 2010)

 

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